Argumentieren für Klimaschutz und Demokratie

Wer kennt es nicht? Nach einem anstrengenden Vormittag setzt du dich mit deinem leckeren Couscoussalat an den Kaffeetisch zu den Kolleg:innen. Plötzlich findest du dich mitten in einer Diskussion wieder: „Elektroautos sind doch auch nicht wirklich klimafreundlich!“ – „Die Energie dafür haben wir doch sowieso nicht.“ – „Fusionsreaktoren, da müsste man mal investieren!“ – „Und überhaupt: Diese ganzen Nachhaltigkeitsforderungen sind doch idealistisch. Wie soll das finanziert werden, solange die Wirtschaft nicht wächst?“

Du spürst, wie sich innere Anspannung aufbaut. Wie oft hast du solche Gespräche schon geführt? Warum verstehen so viele Menschen die Klimakrise immer noch nicht – oder wollen sie nicht verstehen?

Du steigst ein. Argumente fliegen hin und her. Dreißig Minuten später steht dein Couscoussalat unangetastet vor dir. Du bist ausgelaugt und hast nicht das Gefühl, irgendetwas erreicht zu haben. Und jetzt wartet auch schon das nächste Meeting – und die Informationen aus dem Einkauf zur Nachhaltigkeitsstrategie fehlen immer noch

Vier Säulen für gelingende Diskussionen

Ergänzend zu Haltungsarbeit in der Masterclass "Argumentieren für Klimaschutz und Demokratie" stelle ich hier vier zentrale Säulen für gelingende Diskussionen vor. Sie beruhen auf einer klaren Haltung, hilfreichen Narrativen und konkreten Strategien.

1. Save Your Energy - Choose Your Fight: Nicht jede Diskussion ist deine Energie wert. Es ist vollkommen in Ordnung, auch einfach mal deinen Couscoussalat zu genießen. Stelle dir dazu diese Fragen:

   • Wie hoch ist mein Energielevel?

   • Lohnt sich eine Diskussion?

   • Oder reicht ein Widerspruch?

2. Setzte dir deine persönliche Argumentationsstrategie! Das Ziel deiner Strategie sollte nicht primär sein, zu „gewinnen“, sondern auf eine gemeinsame Ebene zu kommen: Eine, auf der man sich zuhört, Gedanken hinterfragt und auch andere Perspektiven zulässt.

   Dafür kannst du dir folgendes bewusst machen:

   1. Lege deine Argumentationsregeln fest!

      Meine Regeln sind beispielsweise:

      1. Ich lasse ausreden und möchte die Gegenüber ausreden lassen.

      2. Ich möchte bei einem Thema bleiben.

      3. Beide Seiten begegnen sich auf Augenhöhe.

      Wenn diese Regeln nicht eingehalten werden können, zieht meine Exit Strategie: "Oh, mein Handy. Was, die Frau ruft an, da muss was passiert sein - sorry."

   2. Erstelle deine persönliche Argumentationsliste!

      Worüber diskutierst du gerne? Was ist dein Thema?

      Fokussiere dich darauf – und lerne, wie du Gespräche mit Fragen oder Übergängen dorthin lenken kannst.

      Für mich persönlich ist das zum Beispiel das Thema Energie. Ich kenne mich aus mit Windkraft, Solar, Speichertechnologien, Bürgerenergie, Elektromobilität und Wärmepumpen – und freue mich über Austausch dazu.

   3. Fragen. Zuhören. Fragen.

      Für mich beginnt jede gute Diskussion mit Fragen. Sie helfen mir, die Haltung meines Gegenübers zu erkennen:

      1. Was ist meinem Gegenüber wichtig?

      2. Welche Emotionen steht dahinter?

      3. Hast du die Befürchtung, dass unser Wohlstand durch ... gefährdet wird?

      Beispiel:

      „Du hast mehrfach gesagt, dass du dich nicht mehr sicher fühlst. Was genau bedeutet Sicherheit für dich?“

      So kannst du später auch deine Perspektive anbieten:

      „Kannst du verstehen, dass ich mich unsicher fühle, wenn jedes Jahr neue Temperaturrekorde erreicht werden und ich bei der Hitze nicht mehr vor die Tür kann?“

3. Fokus auf Werte, Emotionen und Narrative

   Unsere Überzeugungen hängen stark mit unseren Werten und Emotionen zusammen – und diese wiederum spiegeln sich in Narrativen wider. Diese zu erfragen und zu thematisieren kann zu einem gemeinsamen Verständnis führen. Zum Beispiel den Wert "Sicherheit" zu erfragen, zu verstehen und durch deine Perspektive zu ergänzen - oder widersprechen.

   Zusätzlich hilft es eigene Narrative zu kennen und deine Argumentation daran auszurichten. Meine Narrative sind:

   „Ich habe Sorge, dass wir die Auswirkungen der Klimakrise nicht bewältigen können"

   „Ich bin stolz auf Deutschland als interkulturelle Pionierin der Nachhaltigkeit.“

   "Ich vertraue auf die Veränderungsfähigkeit der Gesellschaft"

4. Situationsanalyse & Haltung

   Bevor du diskutierst, frage dich:

   • Wer sitzt mir gegenüber?

   • Was ist das Ziel meines Gegenübers? - überzeugen, provozieren, verstehen?

   • Wer hört noch zu?

   • Was ist mein Ziel? Möchte ich überzeugen, widersprechen oder meine Haltung zeigen?

   • Wen möchte ich erreichen?

   Die Körperhaltung – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – zeigt oft sehr schnell, welche Ebene gerade dominiert. Durch bewusste (körperliche und geistige) Haltung kannst du die Gesprächsebene aktiv mitgestalten.

   In der zentralen Übung der Masterclass stellen wir ein vergangenes Gespräche in einer kleinen Aufstellung nach. Welche Haltungen hast du eingenommen – körperlich und emotional? Welche Haltung hatte dein Gegenüber? Mit welche Haltung hättest du erfolgreicher diskutieren können?

Fazit

Diskussionen über Klimaschutz und Demokratie sind oft herausfordernd. Doch mit einer klaren Strategie, guten Fragen, Fokus auf Werte – und dem Wissen, dass du nicht jede Diskussion führen musst – gewinnst du Handlungssicherheit. Und vielleicht bleibt dann sogar noch Zeit, deinen Couscoussalat warm zu genießen.

Weiterführende Literatur

Bücher

• Zu Besuch am rechten Rand: Warum Menschen AfD wählen - S. Starken

• Populismus für Anfänger: Anleitung zur Volksverführung - W. Ötsch, N. Horaczek

• Klimarassismus: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende - M. Quent, C. Richter, A. Salheiser

• Männer, die die Welt verbrennen - S. Stöcker

• Über Klima Sprechen - C. Schrader

Links

• Faktenchechübersicht: https://www.saferinternet.at/welche-faktenchecker-gibt-es

• https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/modsupport/argumentationshilfen/

• https://www.klimafakten.de/

Youtube Content

• The Alt-Right Playbook - YouTube

• Geld für die Welt — Maurice Höfgen - YouTube

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